klick -> zurück zum bösen Tagebuch

 

 

02.01.2008

heute ist wieder mittwoch. heute ist ego-aufputsch-tag. nach dem heutigen abend wird der großteil deutschlands wieder mit einem leichten aufatmen schlafen gehen. mit dem gefühl, dass es ja eigentlich immer noch schlimmer kommen könnte. mit der gewissheit, wie gut es einem doch geht. denn heute ist wieder mittwoch.
der tag an dem katja saalfrank und peter zwegat die unterschicht der nation im fernsehprogramm von rtl vorführen und damit allen halbwegs normalen menschen zeigen, dass man noch nicht ganz unten angekommen ist. denn heute abend wird sich jeder, der noch halbwegs eine kommunikation mit seinem nachwuchs zustande bekommt oder noch vor die türe gehen kann, ohne angst haben zu müssen von seinen gläubigern aufgeschlitzt zu werden, auf die schulter klopfen. und hier liegt auch die gefahr. man sollte tunlichst darauf achten, seine persönliche situation aufgrund falscher masstäbe nicht über zu bewerten. nur weil man seine kinder nicht tagtäglich acht stunden lang mit dem rohrstock zur vernunft prügelt, sollte man nicht gleich einen kinderhort aufmachen. man sollte also ganz genau wissen, auf welcher seite man sich selbst einzuordnen hat. pädagoge oder prolet? die kategorisierung fällt nicht immer leicht.

es gibt aber durchaus maßstäbe, an denen man sich messen kann. beim studium beider sendungen sind mir ein paar dinge aufgefallen, die sich wie rote fäden durch den sumpf des prekariats ziehen, der wöchentlich von katja und peter durchwatet wird.
natürlich kann man nicht alle plattenbau-bewohner über einen kamm scheren, denn die unterschiede liegen im detail.
ein todsicheres merkmal für die identifikation einer qualifizierten supernanny kandidatin sind "gemachte" nägel. nein, ich meine jetzt nicht gefeilte oder lackierte nägel, gegen gepflegte hände ist ja nichts einzuwenden, sondern "gemachte" nägel. solche nägel haben mit dem eigentlichen hornfortsatz, der aus dem vorderen ende unserer finger und zehen wächst so gut wie nichts mehr zu tun. denn bei "gemachten" nägeln gehen die echten nägel verschütt unter einer zentimeterdicken schicht aus lack, plastik und kunstharz, deren einziger sinn darin besteht, den blickfokus von der meist nikotingelben haut abzulenken und den zuschauer mit gräßlichen farben, motiven, glitzer und chinesischen schriftzeichen zu blenden. kein wunder dass die yakuza irgendwann dazu übergegangen sind, finger mit gartenscheren abzuschneiden...
besonders aufgefallen ist mir diese art der nagelmanipulation bei kandidaten aus den neuen bundesländern. und in der tat, wer sich einmal ein paar minuten durchs nagelstudioverzeichnis ackert, stellt fest, dass sich die anzahl der nagelstudios reziprok proportional zum wert der ersten ziffer der postleitzahl verhält. (na? jetzt aber schnell das alte mathebuch rausgekramt...) ich-ag und aufschwung ost machten es möglich. nachdem die sonnenstudiodichte wohl mitte der neunziger ihren zenit erreicht hatte und die künstlich erzeugte uv-strahlung in ostdeutschland bei weitem über der der sonnentage lag, musste eine andere geschäftsform her, die mandy, peggy und jaqueline auch ohne lange ausbildung betreiben konnten. so wurde jede noch so kleine bude ein ein nagelstudio verwandelt und die gesellschaftlichen maßstäbe dementsprechend geprägt. ab sofort wurden die nägel passend zum jogginganzug lackiert und gegebenfalls mit motiven versehen die mit der schief aufgeklebten bordüre im wohnzimmer korrespondieren. oder mit dem delphintattoo, dem zweiten totsicheren merkmal.

ich bin bekennender freund der gestochenen körperkunst in tinte und haut. stilvolle verzierungen und großflächige aufgenadelte kunstwerke können mir immer wieder ein entzücken verlocken. wenn aber etwas garnicht geht, dann sind es delphintattoos. der gipfel der unkreativität. wahrscheinlich direkt im nagelstudio gestochen, mit dem permanent makeup tacker. delphine kann man erstaunlicherweise sehr oft in diesen sendungen entdecken. als tapete, als teppich, als sitzbezug, auf kaffeetassen etc... scheinbar scheint die aura dieses immerfreundlichen säugers eine beruhigende wirkung auf menschen in grenzsituationen zu haben. eine passive delphin-therapie wahrscheinlich. gänzlich konnte ich mir das phänomen assi-delphin allerdings noch nicht erklären.

ein weiteres sicheres merkmal ist die phrase "ham' wir / hab' ich ja nicht wissen können, dass das so kommt". natürlich. man konnte es wirklich nicht wissen.
man konnte nicht wissen, dass es mit einem kind vorbei sein wird, mit nächtelangen partys und shopping nachmittagen. man konnte nicht wissen, dass man sich um die erziehung eines kindes als mutter selbst kümmern muss. man konnte ja auch nicht wissen, dass man nach dem vierten kind noch eines bekommen kann. nicht vorherzusehen war auch, dass wenn man ein baufälliges haus zum schnäppchenpreis von hundertausend euro ersteht eventuell noch für die gleiche menge an geld noch renovierungsarbeiten anstehen. und man hat nicht wissen können, dass man kredite und ratenkäufe auch irgendwann einmal zurückzahlen muss. man konnte auch nicht wissen, dass kreditzinsen etwas negatives sind. und man konnte vor allem ja nicht wissen, dass man irgendwann mal im fernsehen vor ganz deutschland vorgeführt wird... 

song of the day:
kreisky - vandalen

 

also, bis demnächst, mein böses tagebuch


nägel im delphindesign - holt schonmal die gartenschere
 


tattoo im delphindesign - holt am besten auch hier die gartenschere