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08.02.2007

fortsetzung vom 04.02.07

so saß ich dann am darauf folgenden montag wieder nervös an den fingernägeln nestelnd im wartezimmer des kieferchirurgen und beobachtete, wie besorgte mütter ihre frisch gerichteten töchter aus dem aufwachraum abholten. die mütter hatten ihre liebe not die von der betäubung noch etwas verballtern kinder unter kontrolle zu halten. so konnte es schonmal passieren, dass die ein oder andere lachend das gleichgewicht verlor und wie ein nasser sackauf den boden des wartezimmers klatschte, während die mutter noch damit beschäftigt war, formalitäten am empfang zu klären. eine andere verteilte ungeniert eine ordentliche menge blutigen speichel auf dem marmorboden und ihrer jeanshose und eine dritte zerlegte es dann nach wenigen stufen im treppenhaus. das ganze wirkte noch wesentlich komischer, da ich in weiser vorraussicht meinen mp3 player mitgenommen hatte, der den mir dargebotenen slapstick äußerst passend mit dem tenecious d untermalte. leider war ich mir meiner eigenen situation nur zu sehr bewusst, als dass ich mich wirklich darüber hätte amüsieren können. was hätte ich gegeben auch eine operation unter dämmerschlaf zu bekommen. doch dieser wunsch wurde mir bereits zuvor am telefon zunichte gemacht. "das bezahlt die kasse bei volljährigen nicht mehr, ausserdem sehen ihre röntgenbilder nicht so aus, als müssten wir mit komplikationen rechnen. ich denke da kommen wir schon mit ner örtlichen betäubung hin." na toll. "sie können sich ja zur ablenkung einen cd player mit kopfhörern mitnehmen, wenn ihnen das hilft." gesagt getan.

für meine operation hatte ich mir auch schon eine playlist zusammengestellt. ich rechnete mit ca. 45 minuten operationsdauer, es sollte also kein problem werden eine passende musikalische untermalung herauszusuchen. ich wollte die operation allerdings nicht von fröhlicher musik untermalen lassen. lieber etwas düsteres, passend zur situation. wenn ich mich noch recht erinnern kann füllten meine playlist lieder von fantômas, tool, kyuss oder portishead - in meinen augen ein sehr passender operationssoundtrack.

dann wurde es ernst. meine name wurde aufgerufen und ich wurde von einer schwester ins behandlungszimmer gebracht. ein großer weißer raum, der behandlungsstuhl in der mitte, ansonsten viel leere. ich setzte mich und mir wurde nochmals erklärt, wie absolut gewöhnlich die behandlung wäre, und ich mir keine sorgen machen sollte. danach wurde mein gesicht mit einem operationstuch abgedeckt, man begründete mir diese maßnahme damit, dass ich die ganzen martialischen werkzeuge und das dabei eventuell spritzende blut nicht sehen sollte. mir erschien wesentlich wahrscheinlicher, dass die chirurgin und ihre arzthelferin sich auf dezente weise meines schmerzverzerrten, panisch dreinblickenden antlitzes entledigen wollten.

leider war das loch im tuch, durch welches operiert wurde, so ungünstig ausgeschnitten, dass so gut wie alles sehen konnte. alles was in meinen mund gestopft wurde, und vor allem alles, was meinen mund verließ. zuerst kamen die spritzen - im nachhinein wirklich das schmerzhafteste an der ganzen prozedur. nach wenigen minuten war mein mund und der großteil meines gesichtes angenehm taub. "so, da wollen wir mal mit dem zahn links unten anfangen, der sieht am schlimmsten aus, der rest ist dann ein klacks." vernahm ich es durch meine aufgesetzten kopfhörer. für mich das signal meinen mp3 player zu starten. doch was war los? warum kam keine musik? ich drückte verzweifelnd auf meinem player herum um ihn irgendwie zum musizieren zu bewegen - keine chance. das drecksding hatte sich aufgehängt. das passiert ca. alle einhundert jahre mal, da ich meinen iriver H320 parallel zur original firmware mit einer open source firmware betreibe, die sich noch im entwicklungsstadium befindet und durchaus auch mal abstürzen kann. leider war es ein ding der unmöglichkeit, den resetknopf ohne nadel oder aufgebogene büroklammer zu erreichen, schon garnicht wenn man halb gefesselt auf einem operationsstuhl sitzt. ich musste also ohne musik auskommen. schlecht. ganz schlecht. der erste satz, der nach meiner panischen erkenntnis an mein ohr drang, war noch weniger beruhigend "geben sie mir bitte mal die zange...   ...nein, nicht die, ich meinte die größere!". hätte ich schlucken können, hätte ich das wohl getan. zange? ich stellte mir eine solche operation immer etwas subtiler vor. ich dachte der chirurg wird sich schön mit dem skalpell vorarbeiten und den zahn mit liebe freilegen, um ihn dann, mit einem leichten schnipser aus seinem fleischigen gefängnis befreien. falsch gedacht. zähneziehen ist weniger eine operation als eine moderne schlachtmethode. ich merkte wie die große zange meinen zahn umfasste und die chirurgin mit aller kraft herumhebelte. ich hörte ein schmatzendes geräusch, vergleichbar mit dem geräusch von hackfleisch, dass man zwischen den fingern hindurchknatscht. kurz darauf ein knacken und ein ruck. kurze stille. "oh, abgebrochen". abgebrochen? tatsache. durch mein operationstuchloch konnte ich sehen, wie sich die große zange aus meinem mund bewegte, mit einem blutigen brocken an der spitze, der aber viel zu klein für einen weisheitszahn war. zumindest für einen ganzen... dir chirurgin arbeitete sich gerade mit einem dünnen spatel zwischen zahnfleisch und zahn in richtung wurzel, als mir etwas blutiger speichel in den hals lief und ich husten musste. durch mein guckloch sah ich, wie sich ein nebel aus blutigen spritzern in die richtung bewegte, aus der die werkzeuge kamen. ich grinste innerlich und stellte mir das gesicht der chirurgin vor, doch die quittung kam sofort. die zange war mittlerweile wieder in meinem mund und umklammerte meinen zahn, der nun endgültig unter lautem knirschen und schmatzen nachgab. das gröbste war also geschafft. und in der tat. die nächsten zwei zähne waren in ein paar minuten gezogen und nach einer guten halben stunde war der ganze spuk vorbei. gott sei dank.

es war eine erlösung, als man mir endlich das festgeklebte operationstuch von der schweißnassen stirn nahm. ich blickte in das blutverspritzte gesicht der chirurgin und musste lächeln. "einpacken?" fragte sie mich und deutete auf die zähne. ein wirklich erbärmlicher anblick. dort lagen sie also. diese drei kleinen zähnchen haben mich also tagelang drangsaliert. triumphierend nahm ich die zähne in empfang und verabschiedete mich. erleichtert verließ ich nach einigen formalitäten die praxis und machte mich auf den weg. auf den weg, zu zwei wochen suppe und pudding...

song of the day:
bloc party - hunting for witches

 

also, bis demnächst, mein böses tagebuch


die drei bösewichte...

...the good, the bad and the ugly...