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23.05.2005

hallo mein böses tagebuch,

vor kurzem beim grillen sind wir auf ein thema gekommen, dass scheinbar so gut wie jeden jugendlichen irgendwann beschäftigt hat. kaum ein kind kommt heute noch drumherum um die obligatorische zahnspange. auch ich hatte eine, zuerst eine lose für unten und oben, dann eine feste und zuletzt jeweils eine lose für unten und oben. gebracht hat es leider nicht viel, obwohl ich die spangen immer ziemlich regelmäßig getragen habe.

kieferorthopäden verhalten sich zu zahnärzten wie metzger zu konditoren. wo beim zahnarzt mit gefühl und viel liebe zum detail so lange geschliffen, gebleicht und gefeilt wird bis die krankenkasse einhalt gebietet wird bei kieferothopäden mit dräthen, klammern, scharnieren alles gebogen, gespreizt, gedehnt und gedrückt was der kiefer hergibt. zum kieferorthopäde geht man als kind eigentlich immer alleine, ohne eltern. ich glaube diese wollen und können ihr kind einfach nicht leiden sehen. zum zahnarzt bin ich bis ich zwölf war immer mit meiner mutter gefahren, den orthopädentermin bestritt ich ab der ersten untersuchung alleine. wie die meisten anderen kinder hatte ich stets termine um die mittagszeit, so dass ich direkt nach der schule zur behandlung konnte.

der nächste wesentliche unterschied zum zahnarzt erwartet einem im wartezimmer. kommt man in ein zahnarztwartezimmer sitzen alle leute leicht nervös auf ihren stühlen und lesen in den obligatorischen zeitungen vom lesezirkel. kommt man in eine kieferorthopädenpraxis sitzt kaum jemand im wartezimmer. die meisten kinder knien vor den stühlen, den offenen schulranzen neben sich und die hausaufgaben auf dem stuhl. man musste die zeit ja sinnvoll nutzen. vor der untersuchung musste man sich auch immer nochmals die zähne putzen. und wehe man hatte seine eigene zahnbürste vergessen. dann wurden einem immer billige einwegbürsten mit borsten hart wie stahl und spitz wie nadeln geschenkt. beim putzen fühlte es sich an, als würde man sein zahnfleisch schicht um schicht abtragen.

das behandlungszimmer der praxis war ein sadistischer ort. in der mitte befand sich eine große säule um die herum mehrere waschbecken und schränke angeordnet waren. um diese säule herum verteilten sich sechs behandlungsstühle im kreis. wenn man an der reihe war, wurde man aufgerufen und suchte sich seinen weg zwischen lauter kindern mit aufgesperrten mündern und tränen in den schmerzverzerrten augen, speichelabsaugschläuchen, helferinnen mit zangen und anderem metallernem werkzeug, bis man endlich seinen stuhl erreicht hatte. spätestens da war einem dann mulmig zumute.

eine der schlimmsten torturen beim kieferorthopäden war das "abdrücke machen". dabei wurden einem gebissformen mit einer art flüssigen gummi in den ober- oder unterkiefer gedrückt, die man dann einige minuten im mund behalten musste, bis der gummi hart war. komischerweise waren bei mir die formen immer zu groß und verursachten einen extremen würgereflex, so dass ich schon ein paarmal kurz davor war die ganze praxis vollzukotzen.

das schlimmste was man einem zahnspangetragenden kind noch antun konnte war das "gestell". das "gestell" war eine art bügel, der hinten in den backenzähnen eingehängt wurde und vorne aus dem mund wieder herauskam. dort wurde dann ein nackenband eingehängt, welches den bügel, und damit auch die backenzähne und die gesamte spange, nach hinten drückte. natürlich hatte ich auch ein "gestell", zum glück musste ich dies nur nachts anziehen. doch das versteckspiel ging nicht lange gut. da ich seitenschläfer bin drückte das gestell über nacht einen tiefen roten abdruck in meine backe, der auch in der zweiten schulstunde noch zu sehen war...

noch schlimmer ging es den kindern, die sich auch tagsüber gummis zwischen die oberen und unteren zähne klemmen mussten. da passierte es auch schonmal, dass so ein gummi mitten im gespräch der belastung nichtmehr gewachsen war und zerriss. die ruckartige bewegung verursachte meist heftige schmerzen, zu erkennen am dem qualvoll verzerrten gesicht nach dem knall, und, was noch schlimmer war, schleuderte peitschenartig einiges an spucke aus dem offenen mund auf die zuhörer. kinder mit gummis wurden also noch mehr gemieden als kinder mit abdrücken auf der backe, was meinem ansehen wieder etwas zu gute kam.

absolut inakzeptabel waren weiße brackets (die teile die auf den zähnen kleben). denn weiß blieben sie nicht lange, und wenn sie ihre typische beige farbe angenommen hatten sahen sie eher nach ablagerungen durhc faule essensreste auf den zähnen aus als nach einer zahnspange. apropos essensreste. natürlich bedarf eine solche spange auch immer einer besonderen pflege. in meinem fall wurde damals extra eine munddusche angeschafft und spezielle, kleine bürstchen mit denen man wirklich ein den kleinsten zahnzwischenräumen putzen konnte. effektiv nutzte ich diese utensilien vielleicht eine woche, danach war mir der halbstündige bürst-marathon zu aufwendig und ich kam auf die gute alte zahnbürste zurück. außerdem war dies eine der wenigen möglichkeiten es dem kieferorthopäden für die erlittenen schmerzen heimzuzahlen. am besten noch einen döner mit knoblauchsauce zwischen schule und behandlungstermin reingedrehen, den mund nur flüchtig ausgespülen und sich dann mit einem geschmeidigen lächeln auf dem behandlungsstuhl platzieren.

song of the day:

adolf noise - cpt. gunnerson


also, bis demnächst, mein böses tagebuch



kind mit "gestell" bei den simpsons