klick -> zurück zum bösen Tagebuch

 

 

16.06.2004

hallo mein böses tagebuch,

gestern war es soweit. die entscheidung. deutschland gegen holland. kein normales fußballspiel, eher die austragung eines konfliktes, der schon älter als die menschheit selbst zu sein scheint. ja, eigentlich hasse ich fußball, aber seit meinem urlaub in zandvoort letzten sommer, mag ich holländer eigentlich noch weniger. was soll man auch an einem land finden in dem sich leute schuhe aus holz anziehen, die höchste erhebung deiche sind, leute in kleinen plastikwohnwagen wohnen und gelbe nummernschilder haben, alle leute reden als hätten sie halsweh und nach käse riechen? dieses spiel sollte nun endlich klarheit im ewigen kampf der zwei nachbarländer schaffen. dem gewinner wird unendliche ehre eines glorreichen sieges zuteil, der verlierer muss sich in der schmach der niederlage wälzen.
grund genug also mir dieses spektakel nicht entgehen zu lassen. nur wo sollte ich mir das spiel anschauen. daheim alleine auf den fernseher zu schimpfen erschien mir etwas stillos. der untergang der orangenen pest musste regelrecht genossen und zelebriert werden. also reservierte ich mit frank einen platz in der einzigen dorfkneipe mit riesenleinwand, dolby surround und beamer. 

treffpunkt: 20.00 uhr. ich sitze mit frank im gut besetzten videoraum. um uns herum oberlippenbärte, bierbäuche, sandalenträger, gekleidet in mehr oder weniger an das deutsche trikot erinnernde shirts und shorts. das bier floss maßweise und bis zum anpfiff waren wir ordentlich in stimmung. die mannschaften laufen ein, zuerst erklingt die niederländische nationalhymne. die kamera schweift über die zuschauerränge. wie ein orangener ölteppich belegen die holländischen fans den größten teil der tribüne. zumindest die deutschen hooligans dürften es heute besonder schwer haben. dann erklingt die deutsche nationalhymne und mit ihr pfiffe und "buh"-rufe von tausenden holzschuhträgern. selbst die zuschauer in der kneipe sind entsetzt und jeder weiß was zum thema. "die scheiß käsefresser hatten noch nie anstand!" "die müssen mal lernen, dass es gewisse sachen gibt, die man einfach nicht macht! aber was will man schon von leuten erwarten, die aus einem land kommen in dem... (siehe oben)" ob es deutsche "buh"-rufe bei der niederländischen hymne gab, weiß zu dem zeitpunkt keiner mehr. 
die siuation in der kneipe kochte also schon vor dem ersten kontakt zwischen ball und rasen. dann endlich, anstoß. das spiel läuft und ab der ersten sekunde wird mitgezittert. unser fachkundiges fußballpublikum in der kneipe kritisiert gekonnt und man wundert sich, wie viele potentielle nationaltainer man doch in der stadt hat. natürlich weiß man auch nach dem ersten freistoß fürs flachlandvolk, dass der schiedsrichter parteiisch sein muss und deutschland, falls es verliert, aufgrund von fehlentscheidungen des schiedsrichters praktisch zur niederlage gezwungen wurde. falls wir wirklich verlieren, haben wir also eine passende ausrede parat, das ist das wichtigste.

aber hinter gekonnten kommentieren steckt kein zauber. stark vereinfacht funktioniert das folgendermaßen: der kompetente ARD-kommentator sagt irgendetwas wie "meiner meinung nach hätte der schiri hier foul für deutschland pfeiffen müssen." dann kommt der leitwolf der kneipeninsassen zum zug, schnappt den kommentar auf, verdreht ihn etwas und leitet ihn an die stammtischbrüder weiter, ungefähr so: "hier! das war foul du lackaffe! war mir klar, der schwarze hat überhaupt nix für uns übrig und verpfeift uns nach strich und faden!" ab jetzt darf jeder kreuz und quer sein kommentar reinbrüllen, diese sind meistens kürzer, aber genauso aussagekräftig: "scheiße!" "dem pfeifenkopp sollte erstmal jemand die regeln erklären!" "orangenes arschloch!". 
wichtig sind auch spezielle wörter, die man mal irgendwo, entweder aus diversen werbespots oder der bildzeitung, aufgeschnappt hat und dann einfach in einen satz einbaut. die wichtigsten wörter für dieses und die kommenden spiele: turniermannschaft,  rheuma kai, aktiver fußball, passives abseits, ball nachlaufen, neue hoffnung: basti schweinsteiger, rudis riegel, wechseltaktik. diese wörter einfach ab und zu in einen satz einflechten und man kann mitreden wie die großen stammtischbrüder.

weiter geht's im spiel. das erste tor fällt. für uns. war zwar mehr zufall und glück als gezielter, gekonnter fußball, aber das ist egal. tor ist tor. der erstschlag gegen die holländer war geglückt. diese ehre konnten wir dann bis ca. 10 min vor spielende auch verteidigen. doch dann passierte es, das unfassbare: holland landet einen ausgleichstreffer. 1:1, so sollet das spiel dann auch ausgehen. betroffenes schweigen nach dem abpfiff. damit hatte scheinbar niemand gerechnet. entweder den sieg ordentlich begießen, oder die niederlage in bier ertränken. aber ein unentschieden? was sollte man damit anfangen. die stammtischbrüder saßen etwas verdutzt vor ihren bieren und wussten nicht was nun zu tun war. "hmm, unentschieden, ist das jetzt gut oder schlecht?" hätte man die holländer nicht eigentlich in grund und boden stampfen müssen, oder sollte man froh sein, dass uns die käsköppe nicht in der luft zerrissen haben. niemand weiß das so recht. 
das einzig gute daran ist, dass die entscheidung in der rivalität zwischen deutschland und holland noch nicht gefallen ist. so bleibt die spannung und auch der hass erhalten, bis zum nächsten spiel. ich bin ja mal gespannt...

aber folgende frage beschäftigt mich immer noch. warum speilte unsere nummer 8 als einziger mit langen ärmeln?

 

song of the day:

masters of reality - high noon amsterdam

 

also, bis demnächst, mein böses tagebuch