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23.07.2006

so, die wm ist endlich rum, und wir haben gottseidank nicht gewonnen. die anzahl der autofähnchen nimmt zum glück auch wieder ab und unser nationalstolz liegt endlich wieder im ausverkauf. deutschlandflaggen für 99 cent, deutschlandkappen für 49 cent. herrlich. soviel ist der enthusiasmus der vergangenen wochen also noch wert, wenn das leben wieder seinen normalen weg geht. und so manch einer wird sich fragen, ob er mit seinem jahresurlaub auch was sinnvolleres hätte anstellen können, vielleicht mal den radiosenderprogrammteil der fernsehzeitschrift zu lesen, oder zu versuchen auf der autobahn lkws auf der rechten spur durch aggressives rechtsblinken zu verunsichern. so irgendwas in der art halt. für viele ist jetzt eine welt zusammengebrochen.

ich bin auch vor kurzem zusammengebrochen (hammer überleitung, oder?), allerdings nicht weil mein leben mit dem ende der fußball wm plötzlich jede bedeutung verloren hatte, sondern aufgrund zerreißender schmerzen in der linken seite. wird schon wieder vorbei gehen dachte ich mir, erstmal drüber schlafen. aber falsch gedacht. als nachts die schmerzen unerträglich wurden, und ich vor lauter pein das ganze bad verkotzt hatte, hielt ich es doch für besser, mich in die notaufnahme des örtlichen klinikums fahren zu lassen.

man steht also montagsnachts, kurz nach zwölf in der notaufnahme mit schmerzen, die man nicht beschreiben (ich zitiere wikipedia: "Starker bis unerträglicher Schmerzcharakter") aber auch nicht sehen kann. ich stelle mich hinten an, und versuche diversen blutenden unfallopfern, die eigentlich bis auf eine schürfwunde noch ganz gut aussehen, die dringlichkeit meines falls klar zu machen. "stellen sie sich vor, jemand tritt ihnen konstant seit drei stunden in die eier und dreht mit einer wasserpumpenzange in ihrem rückgrat herum". man erntet nur wenig verständisvolle blicke, wenn man nicht blutüberströmt in der notaunahme steht. "simulant" und "hypochonder" sind worte, die ich von den flüsternden lippen lesen kann. hätte ich nur gerade stehen können, hätte ich ihnen alle samt verletzungen verpasst, die einer platin-notfallbehandlung würdig gewesen wären. als dann auch das letzte bienenstichopfer zum trösten und heile-heile-gänschen spielen in den behandlungsraum geschleppt wurde, kam auch endlich ein arzt zu mir. "na? wie geht's" die unpassendste frage die ich mir in einem solchen moment vorstellen kann. merkt euch eines, steht ihr irgendwann einem mann gegenüber, der bleich ist wie ein stück kreide, dem kalter schweiß auf der stirn steht, der sich vor schmerzen krümmt und dem vom kotzen die adern in den augen geplatzt sind so fragt ihn niemals "na? wie geht's?" es könnte nämlich durchaus sein, dass dieser mann trotz aller schmerzen noch genug adrenalin mobilisieren kann um euch die halsschlagader durchzubeißen. ich für meinen teil klappte auf der liege zusammen.
"hm, das sieht ja garnicht gut aus" - das ist der nächste satz, den ihr in oben genannter situation besser vermeiden solltet. ich hab ja schon einiges mitgemacht, dachte aber, jetzt endlich am ende der schmerzleiter angekommen zu sein. doch wieder falsch gedacht. "ich taste mal ab, mal kurz zähne zusammenbeißen!" und schon versenkte der teufel in weiß seine finger in meinem bauch und löste damit eine schmerzwelle aus, die mir kurz schwarz vor augen werden lies. danach noch ultraschall und die diagnose stand fest. nierenkolik! ein stein hat sich gelöst und den ablauf meiner niere verstopft. diese schwoll an und es bestand die gefahr, dass urin zurück in den blutkreislauf läuft. sofort auf die station, infusion, entkrampfungsmittel und endlich schmerzmittel. leider musste ich noch selbst auf die urologie laufen, aber immerhin war ein bett in einem zimmer frei und ich brauchte nicht im gang zu liegen. die schwester verabreichte mir einen cocktail intravenös und sprach mir gut zu. "machen sie ruhig ein bisschen mehr schmerzmittel rein, ich bin ein großer junge" meinte ich. sie nickte und hängte eine flasche auf. "das ist alles schmerzmittel" sagte sie und zwinkerte mir zu. endlich fühlte ich mich verstanden.

"nurnoch blutdruck messen und dann müssen sie versuchen auf die toilette zu gehen, sonst müssen wir einen katheter in die niere legen". was? ach du liebe zeit... naja, aufs klo gehen war ja bisher immer meine paradedisziplin... der nächste schock kam beim blutdruckmessen. die schwester legte mir das messgerät am oberarm an, pumpte, lies los und schüttelte den kopf, pumpte erneut, schüttelte wieder den kopf und verschwand ohne ein wort zu sagen aus meinem zimmer. etwas irritiert lag ich da und versuchte mich auf das schmerzmittel zu konzentrieren, das irgendwie nicht anschlagen wollte obwohl die halbe flasche schon leer war. die schwester kam zurück und rollte einen kleinen apparat vor sich her - ein automatischer blutdruckmesser. "haben sie probleme mit dem blutdruck?" da ich erst vor ein paar wochen ein rundum checkup beim arzt habe machen lassen, konnte ich das ruhigen gewissens verneinen. sie legte mir die armbinde an und das gerät fing an zu pumpen. die zahlen, die danach auf dem roten led display durch die nacht leuchteten beruhigten mich dann doch etwas, zumindest da ich mal gehört habe, dass ein blutdruck von "120 - 70" gut wäre. auf dem gerät stand: 230 - 180. "mein lieber herr, was sie als untersten wert haben stellt für so manchen herzpatient ein todesurteil dar". sehr beruhigend. "hier, beißen sie das auf und legen es sich unter die zunge" sie gab mir eine pille.

der rest der nacht war die hölle, selbst nach der dritten flasche schmerzmittel stellte sich keine linderung ein und einschlafen konnte ich auch nicht, da die schwester alle halbe stunde zum blutdruckmessen kam. als ich ihr dann mein leid schilderte ließ sie sich doch überreden und wechselte das schmerzmittel. schlagartig spürte ich linderung und kann endlich sogar auf die toilette. so konnte ich gegen halb sechs endlich einschlafen. leider nicht sehr lange, denn um halb sieben kam die schwester zum bettenmachen. zu meiner freude wachte ich angenehm sediert auf, hatte keine schmerzen und fühlte mich auch ansonsten rundum wohl. ich hatte sogar soviel mut, um den alten "schwester, können sie mir einen blasen- (lange pause) oder nieren-tee machen?" witz zu reißen, jedoch nur mit mäßigem erfolg. ich glaube dieser witz ist in der urologie ebenso "neu" wie der "hallo mädels" witz an der fischtheke. so vergingen dann noch ein paar tage im krankenhaus die ich eigentlich nichtstuend und grisend auf meinem bett verbracht habe, bis ich dann endlich wieder entlassen wurde. immerhin hab ich jetzt wieder was zu erzählen und kann sogar ein bisschen mitleid erhaschen. das war im krankenhaus leider nicht möglich, denn prostatakrebspatienten etwas von meinen nierenschmerzen vorzuschwärmen wäre mehr als unfair gewesen...

 

song of the day:

peaches - fuck the pain away

 

also, bis demnächst, mein böses tagebuch


die übeltäter!