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06.09.2003

hallo mein böses tagebuch,

hab mich lange nicht mehr gemeldet, aber die woche bin ich eigentlich nur von firmenversammlung zu firmenversammlung gehetzt, in nürnberg, darmstadt, walldorf, und war danach echt zu kaputt um noch etwas zu schreiben. wirklich erlebt hab ich auf diesen versammlungen eigentlich nichts, aber das dürfte ja keinen überraschen. firmenversammlungen und meetings in firmen sind sowieso schwarze löcher der langeweile. 

einmal, als ich in meiner lehre noch intranetseiten für abteilungen eines großen konzerns gebastelt habe, sollte ich auf einem meeting den mitarbeitern des betreffenden bereichs ihre neue seite vorstellen. also habe ich eine präsentation ausgearbeitet, die so detailliert war, das auch der letzte kaufmannskasper checken müsste, wie der hase läuft und wann er was zu klicken hat. naja, also bin ich mit meinem chef und meiner, in tausenden von überstunden zusammengediftelten präsentation zu diesem meeting gefahren. schon auf dem weg durchs gebäude zum meetingraum, merkte ich, dass der tag heute irgendwie noch ein böses ende nehmen würde...

im meetingraum angekommen sicherte ich mir den hintersten platz am tisch. direkt neben mir lief dann die hostess mit dem servierwagen auf dem die getränke standen vorbei. "hey, saftschubse, mach mal pause und lass den wagen bei papa." meinte ich, erntete hasserfüllte blicke die mir sagen wollten "irgendwann... dann werde ich in meetings sitzen und du wirst mir dabei die füße massieren! scheiß azubi!" und bekam daraufhin den wagen in armesweite geparkt. dann stellte ein typischer schlipsträger mit kassengestell das krampfhaft auf designerbrille gemacht war die tagesordnung vor. ich war mit meiner präsentation tagesordnungspunkt (top) acht - von acht. "mist" dachte ich, "warum hab ich bloß meinen gameboy nicht mitgenommen". also war ich auf der suche nach einem anderen zeitvertreib, während sich die solariumgetoasteten bürohengste in nadelstreifen ihre neuen businessprogramme von irgendwelchen bleichgesichtigen nerds mit der gesunden 60Hz-monitor-farbe im gesicht, in den arsch schieben ließen. zuerst baute ich sämtliche werbekulis auseinander, knickte die patrone auf, baute ihn wieder zusammen, schüttelte den kuli dass sich die tinte schön verteilt und stellte mir vor wie sich so ein schlipsträger (die mich irgendwie sehr an bänker erinnerten) so einen mit tinte gefüllten kuli in die westentasche steckt und sich damit sein 250 € armani hemd versaut. danach übte ich die große kunst des origami an den infoflyern aus. inzwischen hatte ich einen fast vollständigen zoo und und eine gigantische seemacht aus zerstörern, kriegsschiffen und flugzeugträgern inklusive flugzeugen gefaltet mit denen ich den russen damals locker den arsch aufgerissen hätte...

als mir auch das zu langweilig war und die augsburger puppenkiste in zweireihern vor mir immernoch an top zwei festhing, erinnerte ich mich an den getränke wagen neben mir und entdeckte den guten cappy orangensaft, den es eigentlich auf fast jedem meeting gibt. schnell eine flasche gegriffen, klack, zisch, kronkorken auf - für irgendwass mussten die werbefeuerzeuge ja gut sein. und so zischte ich einen cappy nach dem anderen. die 0,2 L flaschen verleiten einen ja gerade dazu das zeug auf ex wegzupumpen. ich habe dabei auch was tolles rausgefunden, sollet ihr echt mal ausprobieren: erst einen airwave (oder ähnlich scharfen) kaugimmi kauen (oder mit ajona zahnpasta die zähne putzen) und dann einen cappy orangensaft hinterher. das geschmackserlebnis ist einmalig und irgendwo zwischen LSD und salzsäure anzusiedeln. dann entdeckte ich noch ein paar dosen mit dänischen kaffeekeksen. ihr wisst schon, diese dinger mit dem groben zucker drauf in den blauen dosen. davon mampfte ich dann auch noch einige und mein mund wurde so trocken, dass ich gleich wieder einen cappy hinterher schütten musste. 

so war ich dann kurz vor top acht bei ca. 15 cappys angekommen. und ich merkte deutlich, wie sich die ersten zehn schon ihren weg in meine blase gebahnt hatten. "scheiße" dachte ich, "wenn ich jetzt noch aufstehe hab ich ganz verloren!" ich betete um eine kleine pause, eine zigarettenpause, einen feueralarm, einen kometeneinschlag, irgendwas, das mich zeit genug gab um nochmal aufs klo zu gehen. aber das leben war (und ist) hart aber ungerecht und so hörte ich die vernichtenden worte "und jetzt stellt uns ein azubi vom webteam unsere neue intranetseite und das neue webinterface vor..." mein leben schoß in sekundenbruchteilen an mir vorbei, und ich stand auf. ich stand auf, wie rocky balboa nach dem zehnten k.o. - mit würde! ich bekam akute platzangst (geiles wortspiel oder? volle blase - platzen? kapiert?) aber ich biss die zähne zusammen. deshalb  lächelte ich auch etwas verbissen, spürte den stechenden schmerz in meiner blase, verursacht von 3 litern cappy orangensaft, aber ignorierte ihn so gut es ging. 
ich ließ mir nichts anmerken und riss die ganze präsentation in einem zug runter. "noch fragen? nein? gut, dann können wir ja gehen. tschüss..." aber so weit kam ich nicht. irgendein minderbemittelter verwaltungsaffe im don johnson look hatte es mal wieder nicht kapiert. also lies ich ihn vor allen seinen kollegen extrem an die wand fahren. ich konterte mit "naja, diese frage zu stellen war eigentlich überflüssig, wenn sie mal genau nachdenken beantwortet sie sich von selbst" "eigentlich müssen sie nur fünf  buchstaben kennen H I L F E - auf die klicken sie dann und bekommen alles nochmal erklärt" "diese frage lässt mich darauf schließen, dass sie akute lücken in ihrem grundwissen haben!" danach traute sich keiner mehr mir irgendwie ans bein zu pinkeln. (wäre mir dieses wortspiel in dem moment eingefallen wäre es wahrscheinlich echt zu spät gewesen). und ich konnte endlich das meeting abschließen und mich auf die toilette retten. 

diese präsentation gehört mit sicherheit zu den schlimmsten 75 minuten meines lebens...
aber ich wusste es schon immer, ich kann nur unter druck gut arbeiten... 

songs of the day:
muse - hysteria

also, bis demnächst, mein böses tagebuch