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24.10.2004

hallo mein böses tagebuch,

ihr kennt das ja. es ist sonntag. man hat nichts (mehr) zu essen im haus und der magen plagt einen schon seit stunden. also was machen? ich kaufe nie auf vorrat ein. jeder supermarkt lässt sich von meiner wohnung aus ein ein paar minuten fußmarsch erreichen. kaufe ich mehr ein als ich kochen/essen kann schimmelt es dank meines miserabelen kühlschrankmanagements monatelang in irgendeinem fach vor sich hin.
tiefkühlkost fällt auch flach. sämtliche packungen fertiges-tiefkühlessen sind unweigerlich im packeis der tiefkühltruhe festgefroren und lassen sich wohl ohne flammenwerfer und eispickel nicht befreien. ich könnte die tiefkühltruhe mal abtauen und neu abdichten. oder ich könnte versuchen den rest der pizza die nur halb eingefroren war, und die ich an der eiskante abgebrochen habe, freizugraben. das ist jetzt aber zu viel arbeit und eine halbe pizza macht ja auch nicht gerade satt. also fällt das thema tiefkühlkost flach. den pizzaservice will ich auch nicht schon wieder anrufen. irgendwie ist es peinlich wenn der bote einen schon beim vornamen kennt und sich aufgrund des smalltalks im türrahmen schon besser im eigenen privatleben auskennt als man selbst. also entschließe ich mich meinen hunger mal wieder mit fastfood zu bekämpfen. das ist weitesgehend anonym, zumindest im drive-in. also schnell nochmal die jeans aus der wäschetruhe geholt, schnell ein altes, verflecktes t-shirt übergezogen und auf geht's. nur 3 minuten vom nächsten mc donalds entfernt zu wohnen ist ein fluch...

schon auf der autofahrt plagt einen normalerweise das gewissen. wegen der kalorien, der verpackung und der umwelt, der tatsache dass man einen konzern unterstützt der es darauf ausgelegt hat alle gut bürgerlichen gasthäuser innerhalb der nächsten generation auszulöschen. wie gesagt, normalerweise. wie gut dass ich kein gewissen habe. schon auf der auffahrt sehe ich dass ich wohl nicht der einzige war der auf die grandiose idee kam sonntags in den drive-in zu fahren. die autoschlange reicht mittlerweile schon bis auf die straße, quer stehende, tiefergelegte dreier bmws bringen den verkehr zum erliegen. kurzerhand entschließe ich mich, doch zu parken und mich drinnen anzustellen, da es dort doch etwas schneller voran zu gehen scheint.
schon beim betreten des "restaurants" fühlt man sich wie in einer überdimensionalen fritteuse. schlagartig spürt man wie sich kleinste fettpartikel auf der haut absetzen und diese imprägnieren. nun die übliche frage: an welcher schlange stelle ich mich heute an? laut murphey's law ist es eigentlich ziemlich egal welche reihe man wählt, man steht sowieso am längsten. instinktiv wählte ich die kürzeste schlange, doch murphey sollte auch heute recht behalten. denn die eifrige mutter vor mir feilschte noch mit der bedienung um das spielzeug während sich neben mir selbst die längste schlange schon aufgelöst hatte. ich hatte also zeit mich umzusehen. die meisten kunden sehen gleich aus. ich nenne es den mc donalds look. eine mischung aus mittelstand und obdachlos. alte, runtergekommene klamotten, fleckige shirts, zerknitterte hosen, nicht zurechtgemacht, ungekämmt, eben so wie ich heute auch. man macht sich für einen besuch im fast food tempel nicht fein. das macht man wenn man "essen geht", aber nicht für die nahrungsaufnahme. man kommt sich zwar komisch vor wenn man samstagsmorgends mit jogginghose und slipper beim bäcker brötchen holt, aber sonntags abends im mc donalds geht so ein outfit scheinbar schon ok. man ist unter sich. 
ich schaue mir die bedienungen an. scheinbar wird hier der aussatz der gesellschaft beschäftigt. die untere ebene des rasters. ein soziales auffangbecken. frauen die aussehen als würden sie sich ausschließlich von den allabendlichen resten ernähren und studenten die wohl woanders als bedienung nicht repräsentativ genug gewesen wären. frage einen studenten was er nebenbei arbeitet "ich bediene" hört man oft. das damit meistens nicht der barkeeper job im angesagten yuppie-schuppen gemeint ist, sondern eher das burgerschieben und herumgleiten auf fettigen fliesen geht meistens in den vielfältigen auslegungsmöglichkeiten dieses satzes unter.

endlich bin ich an der reihe. die bedienung wirft mir einen fragenden blick zu. "ein maxi menü mit nem hamburger royal ts, cola und mayo, zum mitnehmen," ordere ich "aber ohne eis bitte!" man will ja auch was für sein geld. langsam aber zielstrebig tippt er alles in die kasse ein. scheinbar ein student. sein akne-zerfurchtes gesicht hätte auch für ein pizza-maskottchen getaugt. er legt los und sucht die einzelnen komponenten meines abendmahls zusammen. während er da so über die fliesen driftet kommt mir wieder die fernsehwerbung in den sinn. eine schöne, dicke hackfleischschicht fällt auf ein kross aussehendes brötchen, von dem beim aufschlag sesamkörner abspringen. als nächstes kommt ein salatblatt. im flug scheinen sich noch tropfen frischen morgentaus zu lösen. knackig fällt es auf den burger, gefolgt von herlichen, runden zwiebelringen und eine scheibe echtem käse. schicht um schicht setzt sich so ein amerikanischer traum zusammen. ganz im gegensatz zu dem armseeligen matsch den mir die bedienung in der realität aufs tablett klatscht. eigentlich ist diese werbung unlauterer wettbewerb. das wäre ja als würde man wegen einer werbung für die neue s-klasse zum mercedes-händler gehen und dann einen trabbi kaufen. einen matschigen trabbi der zu 50 % aus majonaise besteht. egal. ich packe die tüte und mein getränk und will nur noch nach hause. im becher höre ich eiswürfel klappern. ich überlege kurz ob ich der pickelfresse meinen becher mit der rechten hand ins gesicht werfen soll, und stelle mir schon vor wie der weiß-gelb-rote strohalm in seinem auge stecken bleibt, doch der drang nach hause zu kommen ist stärker.

am auto stelle ich den becher auf dem dach ab um meinen autoschlüssel hervorzukramen. ich steige ein und verstaue die tüte möglichst kippsicher zwischen handbremse und  gangschaltung und lasse den motor an. plötzlich sehe ich ein paar leute die mir euphorisch winken. scheiße, leute die mich kennen, die sich wohlmöglich noch für freunde von mir halten. nichts wie weg. beim fastfood essen will man keine bekannten oder freunde treffen. denn eigentlich isst man ja kein fastfood. nie. niemand den ich kenne isst fastfood, sagen sie zumindest. ich trete aufs gas und schlagartig wird mir klar warum die leute gewunken haben. ich sehe in meiner heckscheibe wie ein halber liter cola mit eis, umschlossen von buntem karton und einem weis-gelb-roten strohalm in der dunkelheit verschwinden. scheiße.  

ACH JA, KLEINER HINWEIS NOCH: DER MALWETTBEWERB LÄUFT NOCH UND BISHER IST NOCH NICHTS ENTSCHIEDEN! ALSO - MITTMACHEN! DA DIE BEITEILIGUNG LEIDER NIEDRIGER IST ALS GEDACHT, STEHEN EURE CHANCEN NOCH RECHT GUT!

song of the day:

nina hagen - du hast den farbfilm vergessen

 

also, bis demnächst, mein böses tagebuch


jetzt wird mir einiges klar... fotos sind vom cocktail-domi

 

 

moderne ketchupkunst, gemalt vom jens.