klick -> zurück zum bösen Tagebuch

 

 

22.10.2008

die zeiten ändern sich. was bis vor wenigen jahren auf silberhochzeiten und jubiläen der alleinunterhalter war, ist heute der dj. die ewig junggebliebenen wollen heute auf ihren feiern nicht mehr zur selbstinterpretationen der schönsten hits von roy black oder bata illic schwofen, nein, hier müssen die aktuellen chartbreaker ran. und am besten gleich noch von vinyl. sieht ja auch viel besser aus. deshalb ist die zeit der alleinunterhalter langsam aber sicher vorbei. die multitalente an orgel, percussion und gesang werden ausgegemustert im tausch gegen "play-knöpfchen-drücker" mit großen cd-koffern. "halt!" werden jetzt wieder einige schreien. "du kannst doch nicht alles was hinter zwei plattenspielern steht über einen kamm scheren!" in der tat, da habt ihr recht. es gibt natürlich verschiedene typen des modernen djs.

typ1: die echten djs.
hervorgegangen aus der hiphopszene der achtziger aber musikalisch schon gar nicht mehr stilgebunden. diese djs spielen auch keine lieder am stück, sondern frickeln sich eigene songs aus tausenden von sampels, cuts, scratches und beats zusammen. diese djs flitzen während ihrer performance die ganze zeit hinter ihrem pult hin und her, um die hundertschaften von geräten in zaum zu halten, deren zusammenspiel den endgültigen song ergibt. bestes beispiel hierfür dj shadow. dies ist die am höchsten angesehenste form des plattenauflegens.

typ2: der rest.
die restlichen djs kreieren keine eingenen tracks. sie spielen nur die songs anderer ab, mit hilfe des play buttons. meistens hätten sich diese djs am liebstens selbst im musikbuisness verwirklicht, vieleicht als radiomoderator oder produzent, sind aber auf dem weg dahin irgendwo steckengeblieben oder schon gänzlich gescheitert. viele sehen ihr jahrelanges plattenauflegen auf silberhochzeiten auch immernoch als interimslösung auf dem weg zu eben einem dieser großen endziele an. doch wehe das kartenhaus bricht eines tages zusammen, dann erkennt man, dass man jahrelang nur für andere die play-taste gedrückt hat. diese djs haben wirklich keinen angenehmen job, aber irgendjemand muss ihn ja machen, während die restliche meute abfeiert und sich besäuft. große anforderungen stellt dieser job nicht unbedingt, doch einige "skillz" sollte man schon mitbringen:

  • körperliche ausdauer, immerhin müssen solche djs mehrere zentnerschwere cd-koffer in die partylocation wuchten - obwohl sie sich dann sowieso nur von songs von genau vier cds bedienen: fetenhits rock-classics, bild schlagerhits, kuschelrock 7 und fetenhits apres ski hits.

  • etwas fingerspitzengefühl für die zielgruppe. die audience auf dem schützenfest will sicherlich mit anderen songs bedient werden, als die schwofer im ü-40 biergarten. ich musste vor kurzem selbst erleben, wie ein dj auf einer hochzeitsfeier sich mit minutenlagem hiphop auch noch die letzten irritierten tänzer vom dancefloor fegte. in solchen kurzen aussetzern kommt im dj der verdorrte wunsch nach selbstverwirklichung hoch. man will dem ignoranten publikum was gutes tun. ihnen musik zeigen, die ja, nach eigener meinung, so viel besser ist als der stupide holzmichl-mist. schuß ins knie...

  • und am wichtigsten: eine hohe ignoranzfähigkeit. denn hinter dem pult ist der dj könig. und gespielt wird nur was er auflegt, und nicht was irgendein dahergelaufener, besoffener übers pult plärrt. musikwünsche müssen von djs ignoriert werden. nicht etwa, weil hinter einem abend eine geplante songlist steht, die abwechslung garantiert und alle musikfreunde bedient, sondern einfach nur weil ansonsten der dj wirklich nichts anderes mehr wäre als eine jukebox, die auf wunsch das spielt, was man gerne möchte. denn merke: der dj weiß immernoch am besten, welche musik du gut findest. das führt mitunter soweit, dass man sich als dj schnellstmöglich einen ersatztrack aus dem ärmel leiern muss, wenn gerade lauthals der song gewünscht wurde, den man ja sowieso als nächstes spielen wollte.

nicht zuletzt sind solche djs nicht mehr als ein aushangeschild. eine party mit eigenem dj-namen auf dem plakat macht eben mehr her, als eine party auf deren plakat folgendes steht: "notebook mit mp3 sammlung auf schuffle". obwohl dies wohl die deutlich günstigere alternative wäre. es muss ja nicht immer gleich ein ganzes notebook sein, ein guter MP3 player mit on-the-fly playlisting tuts auch schon.

 

song of the day:
peeping tom - kill the dj
 

 

also, bis demnächst, mein böses tagebuch