klick -> zurück zum bösen Tagebuch

 

 

19.11.2003

hallo mein böses tagebuch,

also da ja die story mit dem cappy orangensaft (siehe eintrag vom 6.9.03) aus meiner ausbildung so gut angekommen ist, hab ich mich mal hingesetzt und mal überlegt, was ich noch so spannendes in meiner ausbildung erlebt hab. 

eine grandiose geschichte war auch, wie ich damals mit manuel (mein lieblingskollege damals) durch die dunkelheit der frankfurter u-bahnschächte gehetzt bin. und das kam so: die unterwelt von frankfurt am main ist durchzogen von einem netz aus u-bahntunnel und -bahnhöfen. mit einer dieser u-bahn linien musste ich jeden morgen zur arbeit fahren. ich stackselte also jeden morgen noch mit total verschwommenen blick aus dem zug der deutschen bahn, lief im halbschlaf über den frankfurter hauptbahnhof und fiel kurz vom erneuten einschlafen wieder auf einen sitzplatz in der "U5", die mich in den nächsten 25 minuten queer durch frankfurt zu meinem büro rangierte. jeden tag der gleiche trott: daheim aufstehen, in den bus zum bahnhof, dort ne viertelstunde gedöst, in den zug nach frankfurt, dort ne stunde geschlafen, dann in die ubahn und nochmal fünfundzwanzig minuten gepennt. zum glück waren auf der hinfahrt alle haltestellen endstationen, so wurde ich, falls mich meine innere uhr mal im stich ließ (passierte immer wieder montags...), von einem schaffner geweckt. richtig wach wurde ich aber eigentlich erst, wenn ich mir aufgrund meiner chronischen statischen aufladung (liegts an vielleicht meinen schuhen?) einen schlag am griff unserer bürotür geholt hab. also, wie gesagt, die u-bahn war weniger ein verkehrsmittel als ein fahrendes schlafzimmer für mich geworden. auf dem heimweg, vom büro wieder zum bahnhof, fuhr ich immer mit manuel, er konnte nie in der u-bahn schlafen und hörte nur musik. er weckte mich dann wenn wir am bahnhof angekommen waren und ich machte mich dann auf den weg zu meinem zug. nur an diesem einen tag nicht...

es war freitag, manuel und ich waren so kaputt, dass wir beinahe beim filmgucken und thai-curry-scharf-essen auf der arbeit eingepennt wären. endlich läutete die uhr 13 und wir beschlossen den feierabend etwas vorzuverlegen. also, nix wie raus aus dem stickigen büro und ab, in die u-bahn. dort fiel ich auch gleich in einen komatösen zustand und manuel setzte seine kopfhörer auf. im laufe der fahrt schien der anblick von mir beim schlafen auch ermüdend auf manuel zu wirken und so kam es, dass wir beide in der u-bahn hockten und friedlich vor uns hin dösten. kopf nach hinten, sabber aus dem mundwinkel, die typische offentlicher-personen-nahverkers-schlafstellung. und so kam dann auch die endhaltestelle. scheinbar stiegen alle leute aus, alle bis auf uns. der schaffner machte vielleicht noch eine durchsage, von der wir, friedlich schlummernd natürlich nichts mitbekamen. auf den kontrollgang durch die waggons verzichtete der u-bahnfahrer auch großzügig und fuhr weiter in richtung abstellgleis. dort verließ er die bahn, machte das licht aus und schloß die türen ab. ich wachte auf. alles dunkel. ich weckte manuel und ich verstand erstmal nur bahnhof (passt!). der zug war leer, dunkel und die türen gingen nicht auf. wir registrierten was wohl passiert sein musste. alledings hatten wir keine ahnung, wo wir uns befanden. wir hätten irgendwo unter frankfurt sein können... ich checkte mein handy - fehlanzeige, kein netz. manuel machte sich derzeit an den türen zu schaffen und riß am nothebel. ich drückte die türen auf. so, immerhin waren wir jetzt draußen aus dem zug, aber immernoch im dunklen tunnel. und das dumme an so einem tunnel ist, er hat zwei enden, und damit auch zwei richtungen in die man gehen kann, wenn man in der mitte steht. wir entschieden uns rein gefühlsmäßig für die richtung, aus der wir gekommen waren. die wussten wir, da wir hinten im letzten waggon gesessen hatten. also rannten wir los, auf den gleisen, durch die dunkelheit der frankfurter u-bahnschächte. neben uns hörten wir ratten rascheln. aber unsere einzige sorge war in diesem moment, dass kein zug kommen würde. ein zug, egal aus welcher richtung hätte uns wahrscheinlich voll überrollt und zu einer rießen schlagzeile in der bild-zeitung werden lassen. wer schonmal in frankfurt u-bahn gefahren ist, weiß wie eng die tunnel teilweise sind. nach vielleicht 200 - 250 m kamen wir endlich an der u-bahnstation des frankfurter hauptbahnhofs an. wir waren ziemlich verdreckt von dem ganzen staub den wir aufgewirbelt hatten. ich hätte echt gerne gewusst, wie das für die umstehenden leute ausgesehen hat. zwei jungs rennen mit panik in den augen, total verdreckt aus dem dunkel des ubahnschachtes, klettern den bahnsteig rauf, und hechten weiter. wahrscheinlich haben manche nur noch auf eine explosion hinter uns gewartet, oder die versteckte kamera gesucht. das erschreckendste aber war, dass kurz nachdem wir den bahnsteig hochgeklettert waren, ein zug in die station einfuhr. hätten wir also mit unserer flucht nur ein paar minuten länger gewartet, wären wir diesem zug nicht in der station, sondern im tunnel begegnet...

meinen zug nach hause habe ich dann natürlich nicht mehr bekommen. aber das war mir auch egal. wenn man gerade knapp dem tod durch verirren und dann verdursten im frankfurter u-bahntunnelsystem oder dem tod durch einen zusammenstoß mit einem zug entgangen ist, fängt man an, die zeit die man hat zu genießen. selbst die stunde, in der man auf den nächsten zug wartet.  

songs of the day:

fun lovin' criminals - crazy train
are we electric? - spaceship blastoff

also, bis demnächst, mein böses tagebuch