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03.11.2007

nein, das böse tagebuch ist nicht tot. es liegt nur im koma. "was ist passiert" werdet ihr euch fragen. web 2.0 werde ich antworten.

was waren das noch für zeiten, früher. in denen jede internetpräsenz halbwegs einen inhalt und eine persönlichkeit hatte. wo es immer wieder neue inhalte und auch neue persönlichkeiten zu entdecken gab. jede seite hatte ihre berechtigung, und auch wenn sie nur dazu diente, ein besonderes hobby, fotos der unglaublich hässlichen familie oder tabellenstände des örtlichen tischtennisvereins unter die leute zu bringen. heute ist das anders. heute tummeln sich grundlos tausende nichtssagender internetzombies auf myspace, blogger und co. vorbei sind die zeiten, als wir uns noch diebisch über seiten wie http://berlinerswingerpaar.de lustig machen konnten, sagt hallo zur großen inhaltslosigkeit.

früher gab es wenigstens noch eine natürliche hürde, die die seelenlosen geltungsgeilen selbstdarstellungsjunkies davon abhielt, das web mit ihrem inhaltsvakuum zu verseuchen: die programmierung. früher musste man, um im netz präsent zu sein, sich wenigstens halbwegs mit html und co auskennen. man musste sich einen webspace organisieren und auch der umgang mit einem ftp programm wollte beherrscht werden. selbst wenn die webseite mittels fünf-mark-data-becker-hompagebaukasen zusammengeklickt wurde, war die natürliche selektion immernoch groß genug. wer nicht wirklich etwas zu sagen hatte, oder sich zumindest nicht die mühe geben wollte dies mit bunten animierten gifs zu verstecken, der hatte erst überhaupt keine homepage, denn die arbeit war viel zu groß. niemand frickelte stundenlang an einer webseite herum, die er dann leer ins netz stellte. diese subversive qualitätskontrolle sorgte immer dafür, dass wenigstens der bodensatz der gesellschaft sich in der zeit zwischen zwei arbeitsamtbesuchen anderen hobbys zuwendete als webprogammierung. zigarettenstopfen zum beispiel oder kinder zeugen / schlagen / vergraben.

diese situation änderte sich jedoch schlagartig mit dem aufkommen des "web 2.0". seuchenartig überzog diese internetpest unser land und machte es jetzt kinderleicht, seine eigene beschissenheit ins netz zu projezieren. ein intenetblog ist nurnoch wenige mausklicks entfernt und auch die eigene myspaceseite ist in rekordverdächtigen 30 sekunden registriert. wer manns genug ist seine emailadresse und passwort einzugeben, erhält zugang zu den großen weiten welt. gebt den kindern streichhölzern, den frauen die autoschlüssel, den blinden die messer und den dummen das web! fortan wird das web mit einer flut von bedeutungslosigkeit überrollt, dass es nicht mehr auszuhalten ist. profilneurose an allen ecken und enden. es zählt nicht mehr was man zu sagen oder zu zeigen hat, es zählt nurnoch wieviele personen man auf der buddyliste hat. egal ob diese ebenso bedeutungslos sind wie man selbst. dieses fragile wertesystem ist so glaubwürdig wie zwei alkoholiker die sich abend für abend ihre sucht schönreden und so stabil wie eine gruppe einbeiniger die sich gegenseitig stützt. und wehe der erste fällt...
doch was sagt eine dicke buddylist oder ein gefülltes gästebuch denn aus? ich sage immer: mit virtuellen freunden kann man nicht saufen. punkt. die meisten würden ihre buddys ja noch nicht mal erkennen, wenn sie ihnen freitagsabends in der kneipe auf den füßen stehen würden. kein wunder, denn die nach selbstdarstellung gierenden massen haben immerhin eins gelernt: ein profilfoto will gekonnt inszeniert sein, und dafür muss man noch nicht einmal grafik studiert haben: ein bild in graustufen kaschiert fleckige haut, je kleiner das bild desto weniger eklige details, ein hoher kontrast gibt einen künstlerischen touch und am besten das foto in armesweite schräg von oben schießen, dabei den kopf heben und nach vorne strecken, das strafft das doppelkinn. wer sich einmal die zeit nimmt die hoffnungslosen auf ihren seiten zu besuchen wird genau diese art von foto am häufigsten antreffen.

doch wieviel individualität steckt noch in den blogs und profilseiten von heute? wenn es die leute fertig bekommen wenigstens ein neues hintergrundbild einzufügen, ist das schon ein gigantischer schritt. im großen und ganzen sehen 95% aller blogs jedoch gleich aus. standard baukasten schema, gepaart mit der trostlosigkeit eines ekelhaft debilen content-management-systems. das ganze schreit geradezu nach macusern. individualität durch anpassung. "ich bin ja sooo individuell, weil ich ein ipod (meistverkaufter mp3 player) habe und noch individueller, weil ich ein macbook (eines der meistverkauften notebooks) mit mir herumschleppe. und um meiner individualität jetzt das krönchen aufzusetzen betreibe ich jetzt auch einen blog. der sieht natürlich auch so aus wie alle andere, aber das weiß ja keiner." zum kotzen. das ist auch der grund warum ich immernoch an meiner, selbstverständlich längst veralteten, aber soliden html-handbauweise festhalte. denn handwerk hat eben noch stil. doch nicht nur optisch weisen die durchschnittsblogs starke handicaps auf, selbst die thematik der meisten blogs wird schamlos geklaut. googlete man vor einigen monaten nach meinem bösen tagebuch fand man viele einträge mit links auf meine seite. heute findet man nurnoch beschissene drittklasseblogs, die meine thematik kopieren. böse tagebücher gibts mittlerweile auf fanfiktion.de, auf abnehmen.com, auf coolcamels.de, auf spin.de, auf deardiary.net... ein armmutszeugnis für die betreiber. man sollte ihre gästebücher und comments mit hass überfluten (ihr wisst schon was ich meine).

dabei sind die meisten seiten auf blogger und konsorten schlicht trauerfälle und meistens schon nach wenigen spartanischen einträgen verebbt. die großteil aller blogs scheitert schon an der grenze der zehn einträge, und das sogar obwohl die niederschriften meist eher an dreizeiler erinnern: "stefan hat gesagt ich wäre ein arschloch. was für ein idiot. selber arschloch". an der eigenen inhaltslosigkeit verhungert. friedhöfe der selbsterkenntis. wer sich erstmal der sinnlosigkeit, leere und tristess seines eigenen lebens bewusst wird, weil man nach wenigen wochen vor einem leeren blog sitzt und nichts zu berichten hat, der erhält vielleicht endlich die nötige erleuchtung. du bist ein niemand, ein nichts und selbst das interessiert keine sau. selbst wenn du in deinem blog deinen freitod ankündigst würde niemand kommen und dich aufhalten, weil es niemanden kümmert. wenn ein blogger bloggt, und niemand liest es, existiert er dann?

ihr kennt mich, ich schwälge nur ungern in eigenlob. aber welches onlinetagebuch kann schon von sich behaupten, seit fast vier jahren zu existieren und dabei über 160 einträge zu haben, die noch dazu allesamt länger sind als die jahresbilanz des durchschnittsbloggers? dabei habe ich nie auch nur einen cent mit dieser seite verdient. selbst meinen kleinen fanartikelshop musste ich aufgrund rechtlicher ungereimtheiten schließen. anders als die blogs aus dem baukasten tummeln sich auf meiner seite keine google-ads, die dem seitenbetreiber das kleingeld in den taschen klimpern lassen. doch das ist es mir wert. und selbst wenn ich die letzte bastion der wahrhaftigkeit im internet bin, ich werde nicht aufgeben. vielen dank an dieser stelle auch nochmal an alle meine treuen fans und freunde die zu mir halten, und auch vielen dank für all die hunderte hassmails im monat und bösartigen gästebucheinträge. ihr wisst ja, es gibt kein besseres lob. denn die qualität einer droge lässt sich am besten an der stärke der entzugserscheinung messen.

 

song of the day:
die ärzte - dinge von denen

 

also, bis demnächst, mein böses tagebuch



soeben gegründet: initiative web0.1. ich warte auf beitrittserklärungen im gästebuch.