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06.12.2005

in den letzten jahren ging der trend ja stark zur weihnachtsphobie. es war "in" sich vor sämtlicher weihnachtlichkeit zu verstecken, mit verwandten und freundin zu vereinbaren sich "dieses jahr mal nichts zu schenken" und sich dann an heilig abend irgendwo vollaufen zu lassen, weil man es zuhause nicht mehr ertragen konnte. ich weiß nicht wie das bei euch so ist, aber ich konnte und kann mich damit eigentlich nicht wirklich anfreunden. seit ich denken kann war weihnachten immer der absolute höhepunkt des jahres. hier wurden wünsche erfüllt und die ganze sache mit nikolaus und den geschenken hatte irgendwie doch etwas mystisches. ich habe das glück, teil einer relativ großen familie zu sein, die auch nicht wirklich weit auseinander wohnt. man feiert also heiligabend zusammen. erst kocht die oma, dann serviert der opa den schnaps, dann nochmal schnaps und je nach verdauungs und übersättigungsgrad durch reichliches essen vielleicht noch einen. danach geschenke und noch ein paar schnäpse. auch eine nicht erhebliche rolle bei der ganzen sache spielt wohl, dass meine familie eigentlich sehr locker aufgeschlossen und vor allem junggeblieben ist. selbst geburtstage von meinen eltern oder sogar großeltern werden von kumpels gerne als anlass gesehen, mal vorbeizuschauen (gell andera?), denn für essen und trinken ist eigentlich immer gesorgt und gefeiert wird auf jungem niveau.

schade ist eigentlich, dass man so etwas eigentlich erst bemerkt, wenn es jemandem aus der familie nicht so gut geht und man nicht weiß, ob man nochmal weihnachten im vollständigen kreis feiern wird oder nicht. aber egal was kommt, weihnachten war für mich immer das größte.

natürlich gibt es auch negative seiten. natürlich geht mir das "ho ho ho" aus fetten plastik weihnachtsmännern das ende august aus jedem supermarkt jodelt auf den sack und "last christmas" fand ich schon zum kotzen, bevor ich wusste dass es vom schwulen george michael ist. was im übrigen auch keine entschuldigung ist, denn freddy mercury von queen hat ja auch super musik gemacht, sogar für weihnachten.

aber es gibt so ein paar kleinigkeiten, die machen für mich die weihnachtszeit wirklich besonders. zum einen wäre das gewürzspekulatius. nicht den faden gelben, sondern den braunen. am liebsten als 600g packung vom aldi. den könnt ich einfahren bis auch der letzte rülpser einen wohligen geruch aus zimt und gewürzen in der wohnung verteilt. dann wäre da noch der heiße apfelwein. trotz aller abneigung gegen weihnachtsmärkte muss ich gestehen, dass ein heißer apfelwein nur an "kolbs heißem äppelwoi" stand auf dem weihnachtsmarkt richtig schmeckt. die genaue zusammensetzung der gewürze ist natürlich familiengeheimnis der kolbs, was mich wiederum mindestens einmal im jahr doch auf den weihnachtsmarkt treibt.

und dann gibt es noch dinge, die einerseits toll sind und andererseits wiederum nicht. einerseits geschenke, andererseits muss man ja auch was schenken. dieser zwickmühle wird man sich als kind spätestens dann bewusst, wenn man sich im bastelfähigem alter befindet und für die ganze verwandschaft grauenvoll entstellte fensterbilder aus tonkarton zusammenleimen muss. trotzdem würde ich nicht aufs schenken und beschenktwerden verzichten wollen. natürlich kann man entferntere verwandte im gegenseitigen einvernehmen vom schenken ausschließen, aber dem harten kern der famlie und vor allem dem partner sollte man etwas schenken. meiner meinung nach sind leute die zu weihnachten ein schenk-boykott vereinbaren einfach nur zu faul sich über jemand anderes mal richtig gedanken zu machen. und wenn man vorher einen preis als orientierung vereinbart, sollte man sogar ohne verluste aus der sache rauskommen.

eine zwiespältige einstellung habe ich auch gegenüber christmetten. also, der einzige moment im jahr, an dem die kirche droht aus allen nähten zu platzen. kirche und gottesdienste hab ich eigentlich schon immer gehasst und gläbig war ich nie. die kommunion hab ich noch der geschenke wegen mitgemacht, aber vor der firmung hab ich schon reißaus genommen. aber an weihnachten ist alles anders. da geht man sogar mehr oder weniger freiwillig in die christmette mit. zum glück musste ich noch nie in eine richtige christmette. da sich meine komplette verwandschaft schon immer schwer tat, angetrunken über glatte straßen in eiskalter nacht in ein unbeheitztes gebäude zu wandern, sind wir immer auf die "kinderchristmette" die ca. um 17.00 uhr stattfindet und auch nur eine halbe stunde dauert ausgewichen. diese vorteile haben scheinbar auch die meisten anderen familien erkannt, denn dieser gottestdienst ist meistens voller als der pfarrer nach vier runden messwein, weshalb die "kindermette" dann später in "familienmette" umbenannt wurde. einen sitzplatz zu ergattern war meist ein ding der unmöglichkeit. die wurden immer von omas besetzt, die einfach nach dem letzten gottesdienst sitzengeblieben sind. ob aus cleverness oder kreuzschmerzen beim aufstehen weiß keiner. zumindest war die kirche an diesen kindermetten immer folgendermaßen aufgeteilt: sitzbänke voller omas, in den vorderen gängen standen kinder und die eltern trafen sich im hinteren bereich und schenkten heimlich eingeschmuggelten glühwein aus thermoskannen in pappbecher. die kinder nörgeln weil sie stehen mussten, die omas nörgeln weil die kinder nörgeln und die angeschwipsten eltern störte es ausnahmsweise überhaupt nicht.

 
dann gibt es noch gewisse pflichtinhalte, die eine solche mette immer beinhalten musste:
1. ein krippenspiel. meistens schauspielerisch eher ärmlich umgesetzt von irgendwelchen genötigten drittklässlern oder unmotivierten ministranten. bei uns wurde das krippenspiel immer als schattenspiel umgesetzt (weißes bettlaken mit tageslichtprojektor dahinter), meines wissens nach aus kostümmangel. schnell das handtuch um den kopf und den alten bundeswehrparka vom papa angezogen. was auf der bühne aussehen würde wie ein schwuler nazi stellte als schattenbild immerhin einen recht brauchbaren "weisen aus dem morgenland" dar.
2. es musste mindestens ein kind in der ersten reihe, noch besser ein ministrant, aufgrund einer überdosis weihrauch zusammenklappen oder, noch besser, auf den teuren kirchenmarmor kotzen. soweit ich mich erinnern kann war dies ein fester, unumgänglicher bestandteil einer jeden kindermette, jahr für jahr.
3. in einer christmette wird immer gehustet. immer. mehr als in jedem theater oder kinoflim. einer fängt an und steckt damit scheinbar zig andere leute an, ähnlich wie beim gähnen. an die stallszene im schattenspiel kann ich mich glaub ich ausschließlich mit tuberkulotischem hustern im hintergrund erinnern. das tolle daran war, dass am nächsten tag so gut wie jeder die grippe hatte. vielleicht heißt es deshalb auch eigentlich grippenspiel?

song of the day:
alles außer last christmas von wham


also, bis demnächst, mein böses tagebuch