27.12.2008 wenn man als junggastronom unbedingt eine neue kneipe eröffnen will, mottokneipentechnisch aber in der entsprechenden stadt garnichts mehr geht, sämtliche goldesel-nischen wie tex-mex-bar, chillout-cocktaillounge, tiki-surf-kneipe, gothic-dungeon und halli-galli-schlagerschuppen schon erschöpft sind, dann macht man eben eine sportsbar auf. sportsbars sind bars, in denen sachen drinstehen die bedingt etwas mit sport zu tun haben, gerne auch amerikanisch angehaucht. kein fußball also, sondern football, kein formel1 sondern indy500. die einrichtung am besten irgendwie in richtung sixties-diner. und zur not kann man überall auch so riffelblech hinmachen, sieht auch irgendwie sportlich aus. wichtig ist dekotechnisch ebenfalls, möglichst viele bunte lampen unterzubringen, gerne auch in ampelform oder in form von neon budwiser reklamen, obwohl man nur die billige lokale plörre ausschenkt. zu essen und zu trinken bekommt man
eigentlich das gleiche wie überall auch. die spaßgastronomie kann es
sich heutzutage nicht leisten, sich speißekartentechnisch thematisch
festzulegen. wer gerne echtes ausländisches essen isst, geht sowieso zum
echten vietnamesen anstatt sich in der sportsbar eine fahle "frühlingsrolle
mit süß-sauer-sauce" zu ordern. authentizität in sachen nahrungsmitteln ist hier
nicht gefragt. die kundschaft kommt sowieso meist nicht zum essen,
sondern labt sich eher an der reichhaltigen cocktailauswahl (ab 8 euro
aufwärts, auf der karte finden sich immer folgende cocktailklassiker:
cocktails mit sexueller anspielung [sex on the beach, orgasmus...] und
einen long island ice tea der in jeder sportsbar anders, aber genauso
falsch gemixt wird), deshalb wird meist unkomplizierter fingerfood
gereicht. cocktails, gerne auch pitcherweise, werden in großen gläsern
mit kiloweise eis serviert, was aber, im gegensatz zur kundschaft in
fastfoodketten, niemanden stört. knausrige zeitgenossen schmelzen sich
so ihre cocktails schrittweise wieder voll. hier kann man auch
hervorragend die sorte von menschen beobachten, die sich den ganzen
abend an einem einzigen caipirinha hochziehen, die sogenannten
caipi-stocherer. mit beiden händen umklammern sie ihr scheinbar leeres
glas um das eis langsam zu schmelzen. hat sich dann eine gewisse menge
an schmelzwasser angesammelt, matschen sie mit dem strohhalm ein
bisschen auf die limetten ein um ihnen den letzten saft zu entlocken und
verrühren das ganze schließlich um die restlichen klumpen braunen
zuckers aufzulösen. zu guter letzt wird das ganze dann unter lautem strohhalmröcheln (oder wie nennt man das geräusch, das von saugenden
strohhalmen in leeren gläsern erzeugt wird?) vom glasboden gesaugt. dann
beginnt die prozedur wieder von vorne, den ganzen abend lang. diese
leute nehmen ihr cocktailglas auch mit auf die toilette, denn eine
aufmerksame bedienung würde ein solches herrenloses glas direkt
abräumen. besonders wichtig ist auch, dass die cocktails in sportsbars nicht mit praktischen bierdeckeln serviert werden, sondern mit dünnen zweilagigen quadratischen servietten. diese fangen natürlich innerhalb der ersten sekunden nach kontakt mit dem kondenswasser des kalten cocktailglases an sich zu zersetzen und bleiben fetzenweise am glasboden kleben. das ende vom lied ist ein tisch, der trotz servierten von glasrändern übersät ist und leute an stehtischen, die die ganze zeit klebrige fitzelchen vom glasboden oder ihren fingern abpopeln und als kleine kügelchen zu boden fallen lassen. das größte problem von sportsbars ist jedoch, dass sie jegliches kommunikative sozialgefüge zerstören und das in einer perfiden art und weise. doch hierzu muss ich meine ganz private eigentheorie zum thema sportsbars ausrollen: meiner meinung nach hat es mit den sportsbars in deutschland erst angefanngen, als der pay-tv sender permiere sogenannte "sportsbars" ausstattete. in diesen bars konnte man als normalsterblicher ohne zugang zum bezahlfernsehen diverse sportveranstaltungen sehen, die im freien tv nicht ausgestrahlt wurden. so wurde es dann praktisch pflicht für jede ordentliche, wenn auch meist selbsternannte sportsbar, sich die bude mit fernsehern und leinwänden vollzustopfen. diese werden natürlich nicht nur zu speziellen sportevents eingeschaltet, sondern laufen rund um die uhr. meistens mit langweiligen nachmittagsfernsehsportarten (auf eurosport: golf, auf dsf: tourenwagen) oder vernichtend schlechtem musikfernsehen. so spart man sich dann sogar auch noch die mühe eine passende musikauswahl zu treffen. doch das schlimmste an den
allgegenwärtigen fernsehern ist die ablenkung. mag die programmauswahl
auch noch so abstoßend sein, man ertappt sich immer wieder, wie man
einen blick auf die zuckenden bilder wirft, ob man nun will oder nicht.
man kann einfach nicht anders. immer wieder beobachte ich, wie
unterhaltungen mitten im satz abgebrochen werden, weil beide
diskussionsteilnehmer plötzlich gedankenverloren einen blick auf den
fernseher werfen, weil dort irgendetwas scheinbar interessantes
aufblitzte, und dann vergessen haben was sie eigentlich sagen wollten.
wie hypnotisiert starrt man immer wieder auf die mattscheibe. sämtliche
konversationen werden nur noch mit satzfragmenten bestritten. man kann
sich diesem phänomen nur schwer entziehen. sollte ich wirklich einmal
eine sportsbar besuchen, was selten genug passiert, versuche ich mich
immer in einen toten winkel ohne tv im blickfeld zu setzen - ein fast
unmögliches vorhaben. und selbst wenn ich einen solch güldenen platz
ergattere haben meine kumpels meist nicht so ein glück und starren
weiterhin wie die zombies alle paar minuten auf die bildschirme.
und was viele nicht wissen: einen doppelten cheeseburger
mit milchshake ein einer sportsbar zu verdrücken, macht das ganze auch
nicht unbedingt sportlicher.
song of the day:
also, bis demnächst, mein böses tagebuch
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